Alltägliches

7
Nov
2011

Sounds like a revolution?

Was Tracy Chapman früher mit "Talkin about revolution sound like a whisper" besang, wird nun langsam zu dem Ausruf der jungen Kämpfer "gotta find me a future, move outta my way - just give me what I know is mine". Ja, auch royal wurde schon kopfschüttelnd gefragt "Is this the world we created?" und fühlten wir uns nicht schon immer als "Randfiguren in einem schlechten Spiel"? Nein, die Revolution war schon im Mainstream angekommen, als attac noch nicht gedacht und Occupy noch nicht erfunden waren. Lange, bevor die Mauer fiel war da dieses Unbehagen, dass diese kapitalistischen "Wunderkinder" lediglich "ein Leben lang das Leben angestaunt" hatten. Im Rausche des vermeintlichen Sieges über den Kommunismus hieß es einfach "Stop making sense" und wir waren alle ein wenig heimatlos in einer Welt, in dem jeder sich fühlte, als hätte er "paid my sentence but committed no crime". Doch wurde der Westen zum "Champion of the World", dabei waren wir nicht mehr als "wealthy men ... waiting for life to go by". Fängt es jetzt doch an? Are "the tables starting to turn"? Hoffentlich, denn sonst wird es weiter heißen "another one bites the dust". Was die Menschen bewegt ist "the terror of knowing what this world is about", wo wir doch alle den "pressure pressing down on you no man ask for" auf unseren Schultern fühlen. Also flüstern wir leise, reden wir von Revolution, wohlwissend: "there is no easy way out". Schreien wir trotzdem: "Don't stop me now!"

16
Apr
2011

Der verratene Traum

Traurige Augen sehen in die Kamera, starre Blicke müder Gestalten in einem italienischen Flüchtlingslager. Libyer, Tunesier, Menschen, die vor dem Krieg geflohen sind oder die erkämpfte Freiheit nutzen wollen, um sich eine Existenz zu schaffen. Während Europäische Außenminister sich in Ägypten als Botschafter einer neuen, freien Gesellschaft feiern lassen, entwürdigen wir all die Menschen, die unsere Versprechungen, unsere Verheißungen ernst nehmen. Italien, Mitglied der G8!, ist plötzlich nicht in der Lage, ein paar tausend Flüchtlinge zu versorgen. Mal ganz abgesehen davon, dass es seit Jahren die auf europäischer Ebene gültigen Standards für die Aufnahme von Flüchtlingen sowie der Asylverfahren missachtet. Der deutsche Innenminister hat dann auch nichts anderes zu tun, als vor einer Überflutung durch nordafrikanische Flüchtlinge zu warnen und will die Grenzkontrollen wieder aufnehmen. Die Regierungen geraten in hysterische Panik, der eigene Wohlstand scheint in Gefahr. Keine Zahl belegt das, das populistische Schüren unbegründeter Ängste ist schon lange an die Stelle von rationalen Debatten getreten. Europa, diese Insel der Glückseligkeit, verspricht viel und hält wenig.

Der Zuschauer dieser traurigen und zugleich beschämenden Veranstaltung fragen sich kopfschüttelnd, warum sich die vermeintlich reichste Region der Welt so billig aus dem Staub macht. Statt humanitäre Hilfe zu leisten, Menschen beim Aufbau ihrer neuen Gesellschaftsordnung, ihrer neuen Existenz zur Seite zu stehen, schicken wir in als erstes Polizeikräfte entgegen, die uns diese Hoffnungsvollen Hilfesuchenden vom Leibe halten. Eine schamlose Politik, die nur auf Neid beruht und letztlich nur der Erhaltung des Wohlstandes weniger dient. So wird davon abgelenkt, dass Banken mit riesigen Steuersummen gerettet, explodierende Managergehälter abgesichert und wachsende Unternehmensgewinne nicht angetastet werden. Auf dem Rücken der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Niedriglohnsektor, von Sozialleistungsempfangenden, von stagnierenden oder gar sinkenden Reallöhnen wächst der Reichtum weniger gnadenlos an. Und nun kommen die Revolutionen in Nordafrika, und während sich die Vorbilddemokratien in Europa noch fragen, ob Volksherrschaften in Tunesien, Ägypten oder gar in den Öl-Staaten Arabiens wirklich im Interesse der Herrschenden in Europa sind, machen sich ein paar tausend Afrikaner auf den Weg nach Europa. Eine willkommene Gelegenheit für die europäischen Innenminister, Flüchtlinge gegen verarmte Europäer auszuspielen, Härte zu zeigen, mit der Angst vor dem Islam Meinung zu machen. Man muss sich wundern, dass wir vor dieser Politik nicht selbst fliehen - oder sie beenden. Im Gegensatz zu Nordafrika sind dazu in Europa nicht einmal Revolutionen nötig. Wir müssen nicht einmal so mutig sein, wie viele der Menschen in Lampedusa, die so entwürdigt in die Kameras europäischer Fernsehsender blicken, die das Mittelmeer in Nussschalen überwunden und gegen Diktaturen gekämpft haben. Wenn wir weiter nur von einem besseren Europa träumen, werden wir nur weiter enttäuscht aufwachen: "Der Traum ist aus. Aber ich werde alles geben, daß er Wirklichkeit wird."

"Gibt es ein Land auf der Erde,
Wo dieser Traum Wirklichkeit ist?"

31
Dez
2010

Jetzt aber!

Geschafft. 2011. Mein Jahr kommt! War das letzte Jahr noch irgendwie, nun ja, unbestimmt oder schlechter, wird 2011 anders. Ganz anders. Keine Neujahrsvorsätze mehr, nein, dieses Mal muss sich das Jahr ändern, nicht ich. Punkt. Keine ohnehin kaum einzuhaltenden Selbstbeschränkungen, jetzt bin ich dran. Ich verändere - und schreibe meine Geschichte. Ich stellte ja schon fest, dass unsere Generation noch keine Geschichte geschrieben hat. Ich fange an und schreibe meine. Unbeirrbar, meine, die etwas andere Geschichte. Wir müssen endlich unseren Weg gehen - denn bislang waren wir wie Lemminge, die ahnen, dass der Weg in den Abgrund führt. Robert Frost schrieb einst:

"Two roads diverged in a wood, and I -
I took the one less travelled by,
And that has made all the difference."

Ich weiß nicht, welchen Weg meine Generation gehen wird. Ich gehe nun meinen Weg, auf unbekannten Straßen. Es ist befreiender, etwas neues zu wagen, als sich auf ausgetretenem Pflaster an Unwichtigem abzuarbeiten. Wie soll sich etwas zum Besseren ändern, wenn nie Alternativen gedacht und gegangen werden? Für diese Alternative muss man kämpfen, sie schaffen, kreieren. Seine eigene Alternative, aber auch die gesellschaftliche. Denn nur wenn man die Wahl hat, kann man klare Entscheidungen treffen.

20
Nov
2010

Zeitungslektüre

Berlin. Regen. Terrorwarnungen. Ich sitze in einem Café in Zentrum, heute Abend werde ich die Stadt wieder verlassen. Fühle mich ausgelaugt. Diese Stadt ist immer im Werden, nie wirklich fertig, nie im Sein. Das schlaucht. Keine Ruhe nirgends. Kaum einmal die Möglichkeit, sich zurückzuziehen, entspannt, unbeobachtet. Überall fühle ich mich auf dem Prüfstand, nirgends mag ich mich fallen lassen. Wartend auf meine Abfahrt habe ich den Einkaufsbummel sausen lassen, so richtig geeignet ist Berlin dazu ohnehin nicht. Viel Kram, wenig Substanz, und ansonsten alles, was es woanders auch gibt. Nach einigem Umherstreifen habe ich schließlich dieses Café gefunden, fußläufig zur Museumsinsel - könnte ja sein, dass ich mich noch bilden will. Mit Freude wurde meine Bestellung, "Einen großen Kaffee, schwarz", nicht mit einer Litanei an Gegenfragen beantwortet. Mittlerweile habe ich diesen ganz anständigen Kaffee geleert, mich etwas erwärmt, und schaue hinaus in den Regen. Was macht man mit seiner Zeit im Berliner Regen? Richtig. Lesen.

Ich hole mir meinen zweiten Kaffee, nehme mir die Zeitung vor. Die Schlagzeilen beschäftigen sich mit vermeintlichen Terroranschlägen und ergehen sich ansonsten in deutscher Selbstbeweihräucherung. Seitdem Berlin Hauptstadt ist, scheint sich alles nur noch um die eigenen nationalen Befindlichkeiten zu gehen - oder dass, was Politiker und Journalisten im Regierungsviertel dafür halten. Kein Platz für deutsche Selbstkritik, der "Aufschwung" wird gefeiert. Die Armen werden verschwiegen, der nicht existente Mindestlohn wird verschwiegen, das Ausspielen der Angst vor Arbeitslosigkeit - verschwiegen. Stattdessen Terrorangst, unsinniges Entertainment und bunte Statistiken zum sagenhaften deutschen "Wachstum". Wenn das so weiter geht, stößt das deutsche Ego noch durch die Reichstagskuppel. Mit diesem Gedanken lege ich die Zeitung beiseite, schaue erneut aus dem Fenster. Es regnet weiter, so niedergeschlagen habe ich mich lange nicht mehr gefühlt. Draussen scheint es noch dunkler geworden zu sein. Was für ein Land, und es ist auch noch meins.

Ich nehme meine Jacke, gehe hinaus, den Museen, der Vergangenheit entgegen. Für heute habe ich genug von der aktuellen Weltlage, vom jetzigen Berlin. Das Früher kann ich nicht ändern, nur begreifen. Trost finden, wo das Ist nur Verzweiflung weckt.

15
Nov
2010

Abgelegt

Es hallt in meinem Kopf, immer wieder höre ich das Einhämmern auf die Tasten. Der Sachbearbeiter vor mir schaut mich nicht an, starrt nur auf seine Tastatur, in die er mühsam und mit größtmöglicher Krafteinwirkung einschlägt. Jede meiner Antworten wird eingegeben und krachend mit der Eingabetaste abgeschlossen. Die ganze Situation kommt mir unwirklich vor, wie durch einen Schleier nehme ich den Raum wahr, höre meine Stimme nur dumpf in meinem Kopf, wie unter Wasser.

Er fragt nach meiner Ausbildung, meiner Berufserfahrung, meinen Krankheiten. Ich weiß nicht mehr, wie lange ich schon hier sitze, ich kann mich nicht erinnern. Jetzt scheint die Fragerei ein Ende zu haben, der Sachbearbeiter starrt auf seinen Bildschirm, hat die Tastatur aus den Augen verloren. Seine Stirn verzieht sich, er drückt einen Knopf an seinem Telefon, innerhalb von Sekunden öffnet sich die Tür zum angrenzenden Büro. Eine Frau in einem eng geschnittenen Hosenanzug tritt ein, der Sachbearbeiter nickt in meine Richtung und sie weist mich an, ihr zu folgen. Auf Nachfrage wird mir erklärt, dass sie meinen Fall nun übernehmen werde. ich stehe auf, folge ihr. Ich fühle mich unsicher, die ganze Umgebung wirkt nach wie vor unwirklich, aber irgendwie bedrohlicher. Die Frau hat einen sehr strengen, geschäftsmäßigen Gesichtsausdruck aufgesetzt - nein, sie hat ihn überhaupt nicht geändert.

Sie weist mir einen Stuhl zu, ich setze mich vor ihren Schreibtisch. Sie schaut mich an, während ein Drucker hinter ihr Papiere ausspuckt. "Sie sind ein Problemfall". Pause. "Mit Ihnen ist einfach nichts mehr anzufangen. In diesem Land braucht Sie niemand, und daher wird Ihnen auch keine Unterstützung gezahlt." Ihr Ton ist eher sachlich als vorwurfsvoll, ich bin eine reine Nebensächlichkeit. Ich schlucke, bevor ich widerspreche - immerhin habe ich einen Studienabschluss, bin immer aktiv gewesen und mir meiner Rechte sicher. Eigentlich.

Denn trotz meines Einspruchs lächelt die Mitarbeiterin der Arbeitsvermittlung nur gelangweilt, es treten zwei Männer in dunklen Anzügen ein, die sich neben mir postieren. Verunsichert schaue ich zu ihnen hoch, während sie in neutralem Ton erklärt: "Für Geisteswissenschaftler haben wir in dieser Gesellschaft keine Verwendung mehr, und schon gar nicht für Leute wie Sie, die auch noch Gerechtigkeit verlangen. Menschen, die keinen Reichtum erzeugen, brauchen wir hier nicht, und daher haben Sie auch keinen Anspruch darauf, dass wir Sie weiter dulden. Sie generieren kein Wachstum, Sie sind überflüssig. Seien Sie froh, dass wir Sie nun gratis entsorgen. Sie werden jetzt verschwinden, und wir werden dafür sorgen, dass niemand jemals nach Ihnen zu fragen wagt! Sie werden abgelegt, wie Ihre Akte. Einfach eine unbedeutende Ablage." Damit reissen mich die beiden Anzugsträger von dem Stuhl und zerren mich zum Hinterausgang des Gebäudes.

Ich bin zunächst zu schockiert, fassungslos, um mich wirklich zu wehren. Mein Gehirn kann diese Ungeheuerlichkeit nicht fassen, ich war in dieses Gebäude gekommen, um bescheiden um Hilfe zu bitten, und nun werde ich umgebracht, entsorgt, wie Müll. Panisch schlage ich um mich, schreie. Ein Schlag ins Genick, ein weiterer in den Magen, ich kämpfe wie von Sinnen. Ich spüre, wie meine Hand auf etwas Kaltes einschlägt, wache auf, fühle den kalten Boden unter mir, schweissnass. Ich wälze mich herum, bin völlig platt. Weiß nicht, wo ich bin. Panik, Angst. Ich erkenne nichts in der Dunkelheit. Langsam arbeite ich mich hoch, finde den Lichtschalter. Durchatmen, mein Schlafzimmer. Alles wie immer. Hatte ich das nur geträumt? Oder hatte ich eine Gedächtnislücke? Gehe zum Schreibtisch, versuche mich an den letzten Tag zu erinnern. Ein Blick auf den Terminkalender reicht, dort steht für heute, 11:30 Uhr: ARGE. Mir wird schlecht, ich zittere. Die Angst kehrt wieder. Jetzt real.

15
Okt
2010

Herbstsonne

Es ist ein Herbsttag, trügerisch sonnig und empfindlich kalt. Eine Zeitung unter dem Arm gehe ich in ein Straßencafé, bestelle Milchkaffee und friere. Ich friere in letzter Zeit ohnehin häufig, vor allem, wenn ich Zeitung lesen. Der Kellner kommt heraus, bringt mir den Kaffee. Ich greife die Tasse, nehme einen Schluck, spüre die warme Flüssigkeit in meinem Körper hinunterfliessen, die Tasse meine Hände wärmen. Nur meine Seele kann der Kaffee nicht erwärmen.

In der Zeitung findet sich auch nichts Erwärmendes, die Reichen werden reicher, die Armen ärmer, und die in der Mitte werden weniger und verzichten ängstlich auf das, was ihnen zusteht. Eine Welt aus den Fugen, was Recht werden soll wird gekauft, und keine Form der Ausbeutung scheint mehr ausgeschlossen. Die Sonne des Wirtschaftswachstums scheint über Deutschland, aber sie scheint nur für Wenige. Für die Mehrheit sind ihre Strahlen pure Kälte und wir haben nichts mehr, was wir noch überziehen könnten.

Der Milchkaffee wird langsam leer, und die Zeitung geht zur Neige. Auf der letzten Seite finde ich einen Bericht über nachhaltige Investmentfonds. Das soll die positive Nachricht des Tages sein, doch glaube ich diesen Fondsmanagern gar nichts mehr - und allen anderen noch viel weniger. Unter diesem Bericht findet sich eine kurze Nachricht über neue Staatsbürgschaften für Großbanken. Was da nicht steht: Ich bezahle dafür, der Hartz-IV-Empfänger zahlt dafür, der Kleinverdiener ohne Mindestlohn zahlt dafür. Sonst niemand. Die Ärmsten bluten und die anderen gehen ins Casino. Mir wird schlecht. Ich stehe auf und zahle.

Auf dem Weg durch den Park treffe ich auf einen Obdachlosen, der frierend hinter einer kleinen Mauer sitzt und sich zu wärmen versucht. Ich gebe ihm meine Zeitung und meine Jacke noch dazu. Habe zwar auch nicht soviel, aber Mitleid leiste ich mir trotzdem. Der Obdachlose ist so verdutzt, dass er außer einem „Merci monsieur“ nichts herausbringt. Aber das ist mir schon Wärme genug. Zu hause wartet heißer Kaffee. Stark und schwarz. Und vielleicht auch etwas Wärme für die Seele. In der Sonne dieser Welt ist es einfach zu kalt.

26
Mai
2010

Ruhig gestellt - was ich noch nie wissen wollte

Nun war es also so weit - am Samstag lief "Wetten, dass ...?". Nein, ich habe die Sendung nicht gesehen, ich kann sie nicht ertragen. Trotzdem ist es nicht zu umgehen, die vermeintlichen "Inhalte" solcher Sendungen wahrzunehmen, sie werden ja anschließend bei allen Mainstream-Onlinemedien und in den relevanten Tageszeitungen besprochen. Ich habe nie DSDS gesehen, und dachte anfangs, das sei eine Abkürzung für einen Rüstungskonzern. Ich kann auch gar kein deutsches Privatfernsehen empfangen hier in Brüssel. Aber dennoch wird mir diese Bohlenmania immer wieder in den Schlagzeilen entgegengeschleudert. Gibt es denn nichts wichtigeres?

Denkt man über diese Frage ernsthaft nach, so komme ich zu der Erkenntnis: Nein, es gibt nichts wichtigeres. Denn Medien sind heutzutage zur Beruhigung der Gesellschaft da, sie sollen nicht anstacheln oder objektiv informieren, sondern vorwiegend im Interesse ihrer Verlagsgesellschaften - und damit vor allem ihrer Anzeigenkunden und Aktionäre - handeln, sprich unterhalten. Denn gebildete, informierte Menschen stellen das Existierende in Frage, und das ist gefährlich für den Profit. Deshalb wird lieber DSDS dreimal in Spiegel-online besprochen, während wir durch Arbeitsmarktstatistiken aufs Neue hinters Licht geführt werden. Die Arbeitslosenstatistik wird gefeiert, und keiner fragt: Wo sind die? Was verdienen die jetzt? Bloß weil Menschen nicht arbeitslos gemeldet sind, heißt das ja nicht, dass sie eine vernünftige Voll- oder auch nur Teilzeitstelle haben. Wie viele Selbständige leben oft unter dem Hartz IV Satz? Dazu erstmal keine Fragen.

Aber zurück zu "Wetten, dass ...?". Fernsehen als Nullmedium ist seit langem ein Begriff, und dass der IQ eines Menschen enorm sinken muss, wenn er auf Dauer dem Privatfernsehen ausgesetzt wurde, ist wohl jedem denkfähigen Menschen klar. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen - ebenso wie die Radiosender - haben auch vor langer Zeit damit begonnen, die kritischen Sendungen oder auch Programme über alternative Kultur an den Rand zu drängen. Denn auch für die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten gilt es, das System zu erhalten. Es geht wohl gemerkt nicht um Parteinähe, sondern um ein politisches und gesellschaftliches System, in dem wirklich freie Berichterstattung nicht mehr in erster Linie bedeutet, politisch unabhängig zu sein, sondern frei von den wirtschaftlichen Interessen der Werbekunden oder Anteilseigner agieren zu können. Wer sich samstags ab und an mal die Sportschau ansieht, weiß, wie weit es mit dieser Unabhängigkeit her ist. Wenn im CDU-Haussender ZDF schon die Absetzung eines Chefredakteurs betrieben wird, weil dieser zu kritisch berichten würde, dann ist von wirklichem Journalismus nicht mehr viel übrig. Die heute-Nachrichten lenken dann auch lieber mit einem überdimensionalen Tisch von den Meldungen ab, und allgemein wird wirklich Kritisches lieber ins Kabarett oder die Satire verschoben. "Neues aus der Anstalt" und die "heute-show" haben dann auch oft mehr politische Wahrheiten im Gepäck als eine Woche "heute-journal", aber es wird drüber gelacht, wieder vergessen, und ist nicht weiter gefährlich. In den Zeitungen findet sich Kritik oder Hintergründiges mittlerweile gleich im Feuilleton, das liest dann schon gar keiner mehr, der arbeitstätig ist und sich nicht selbst als intellektuell bezeichnet. Abgehakt.

Diese Entwicklung ist übrigens auch das Ende des Berufsbildes Journalist. Denn DSDS ansehen und dann irgendeinen billigen Online-Artikel zusammen tippen kann auch jeder Praktikant, das ist billiger und erfordert keine Recherche. Letztere ist ohnehin bei der modernen Art der Berichterstattung nicht mehr notwendig oder besser unerwünscht, denn es soll im wesentlichen ja nur Vorgekautes wiedergegeben werden. Quote oder Auflage macht man heute durch möglichst "hippe" Präsentation, Sex, Blut und Gewalt. Eine Zeitung wird halt eher gekauft, wenn eine halbnackte Paris Hilton - noch mal: warum muss ich die kennen? - auf der Titelseite zu sehen ist. Es gab mal Zeiten, da wurden Zeitungen wegen exklusiver Informationen, guten Hintergrundberichten, gut geschriebenen Artikeln gekauft. Sicher, früher war nicht alles besser,trotzdem ist das Gegenwärtige nicht zu ertragen. Dabei gibt es sogar gutes Fernsehen. Des öfteren auf Arte zu sehen, aber das schaut ja keiner, der nicht auch das Feuilleton liest. Da gute Information zum Randthema verkommen ist, braucht man sich auch nicht zu wundern, dass schlechte Unterhaltung im Zentrum der Gesellschaft steht. Das hat man auf der Regierungsbank erkannt, darum macht schwarz-gelb alles, um von Politik abzulenken. Damit alles bleibe, wie es sei, und die Ackermänner unserer Zeit weiter ruhig ihre Millionen zählen können. Wetten, dass ...?

Kaffee. Schwarz. Bitte!!!

Eine Geschichte aus dem Alltag

Grau. Warum waren Bahnfahrten immer so grau. Der Himmel: grau. Die Gesichter der Mitreisenden: grau. Temperatur: kaltgrau. Stimmung: müdgrau. Stimme der Schaffnerin: gelangweiltgrau. Die durchfahrenen Bahnhöfe: schimmerndgrau. Noch zwei Stunden dieses grau. Schlafen ist wegen des Raps auf den mp3-Player Kopfhörern meines Nachbarn nicht möglich, also was tun?

Ich überlege kurz, kämpfe mich schließlich aus dem Sitz und mache mich auf den langen Weg zum Bistrowagen. Taumelnd bewege ich mich durch die Wagons, stütze mich auf den Kopflehnen ab, verliere das Gleichgewicht, wenn der Zug mal wieder schwankt wie ein Schiff auf hoher See. Endlich bin ich im Speiseabteil. Fünf genervte Bahnfahrer stehen an der Ausgabe Schlange. Die Abfertigung dauert lange, da die meisten die Frechheit haben, überteuerte Speisen oder Getränke zu bestellen, die leider schon aus sind - und sich daher ganz neu entscheiden müssen. Meistens nehmen die Leute dann irgendetwas und bezahlen einen Wucherpreis für ungewollte Nahrung, statt sich umzudrehen und mit leeren Händen an den Platz zurückzukehren.

Endlich bin ich an der Reihe. Einen Kaffee, schwarz, nein auch keinen Zucker. Die Bahnmitarbeiterin schaut mich etwas skeptisch an. Zur Sicherheit nehme ich mir noch ein Mineralwasser mit. Das ganze ist zusammen fast so teuer wie eine Packung Gourmet-Lachs, aber gut, ich habe ja keine Wahl. Nach heldenhafter Wanderung durch die schwankenden Wagons - ich habe es tatsächlich geschafft, den Kaffee nicht über eine Frau in Tigermuster-Aufmachung zu giessen - erreiche ich schließlich wieder meinen Platz. Ich richte mir alles so ein, dass ich gemütlich lesen und meinen Kaffee geniessen kann. Bis zum ersten Schluck. Mein Mund zieht sich zusammen, ich schaue ungläubig auf den Pappbecher, öffne den Deckel. Vorsichtig rieche ich an dem Gesöff, dass lediglich eine leicht bräunliche, dunkle Farbe mit dem gemein hat, was ich Kaffee nenne. Ich probiere einen zweiten Schluck, komme zum gleichen Ergebnis, stehe auf und entsorge den Kaffee in der Toilette.

Eine kleine Flasche Wasser später, fünf Seiten weiter und noch genervter komme ich am Zielbahnhof an. Wobei das nicht stimmt, der Bahnhof ist nicht mein Ziel, sondern das Gespräch zwei Stunden später. Ich fühle mich müde, abgespannt, will jetzt endlich etwas Ruhe und gehe daher zum nächsten Kaffeeladen. Ich schaue auf die Auslage, entscheide mich für einen Kuchen. Relativ zügig darf ich auch bestellen. Ich zeige auf den Kuchen, den ich bestelle, und natürlich möchte ich einen Kaffee dazu. Schwarz. Ohne Zucker. Diesmal ein leicht gelangweilter Blick von der Kassiererin. Welcher "Blend" es denn sein solle? Ich sage, ich möchte einfach nur guten Kaffee. Die seien alle gut, ich müßte mich halt entscheiden, aber der Caramel-Macchiato, die Vanilla-Latte oder der White-Mocca seien eher zu empfehlen. Mir schwant wieder das Böse, ich nehme den am wenigsten "teuren Houseblend". Der ist aus. Also "Columbian Dream". Die Frau schaut mich skeptisch an, der hätte eine ziemlich eigene Note, man sollte ihn besser nicht schwarz trinken. Ich antworte, Kaffee, der schwarz und ohne Zucker nicht schmeckt, ist kein Kaffee. Ich bestelle den kleinsten möglichen Becher.

In der Tat, kein wirklich guter Kaffee, aber um Längen besser als dieser Pseudokaffee aus dem Zug. Wahrscheinlich war der Kaffee sogar ganz gut, aber die Kaffeemaschinen, die diese Franchise-Kaffeeläden nutzen, mögen ja für Espresso oder Cappuccino geeignet sein, für richtigen, frisch gemahlenen Filterkaffee reicht es halt nicht. Das galt auch für die Bahn, denn diese Automaten da waren ebenfalls total ungeeignet. Den besten Kaffee in einem Zug hatte er mal bei einem Menschen erhalten, der finanziert durch die Arbeitsagentur als Frühstücksangebot frischen Kaffee und Brötchen im Zug verkaufte. Der hatte richtigen Kaffee dabei gehabt. Traurig. Früher gingen Läden pleite, wenn sie keinen vernünftigen Kaffee servierten. Heute ist es umgekehrt: Der Kaffee kann noch so gut sein, wenn man seinen Milchkaffee nicht "Café Latte" nennt oder irgendwelche künstlichen Geschmacksaromen zufügt, kann man gleich dichtmachen.

Ich trinke nun also diesen nicht ganz so schlecht schmeckenden "Columbian Dream" und versuche, mich auf meinen Termin vorzubereiten. Leider kaum möglich, da diese Kaffeemaschine beim Milchaufschäumen einen derartigen Krach macht, dass man meinen könnte, sie fliege mir gleich um die Ohren. Ich trinke dann also die Hälfte dieses Kaffees, gehe in mein Hotel und checke ein. Auf dem Zimmer angekommen bestelle ich mir einen Kaffee und eine Pizza, der Kuchen im Café war so trocken gewesen, dass ich nur zwei Bissen runterbekommen habe. 20 Minuten später klopft der Zimmerservice. Diesmal kann ich es schon gleich riechen: Richtiger Kaffee! und die Pizza ist auch nicht übel. Auf die Rechnung schaue ich erst später. Der Kaffee ist günstiger als in der Bahn. Ich bestelle noch einen, hole mein Buch raus, und geniesse die Stunde, die mir noch bleibt. Lesend und meinen Kaffee geniessend. Schwarz. Ohne Zucker. Einfach nur Kaffee.
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