28
Jan
2011

Jester's Door: Bierkrieg(1)

Diese Jester's Door Episode basiert auf dem vor langer Zeit geschriebenen ersten Fragment der Jester's Door Reihe. Quasi eine Überarbeitung des "Ur-Jester". Viel Spaß!
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Ich war einige Tage nicht im Jester's Door gewesen und hatte das komische Gefühl, etwas verpasst zu haben. So machte ich mich also auf den Weg zu dieser Heimat obskurer Verhaltensweisen und unangepasster Lebensstile. Es war später nachmittag, die Sonne stand schon tief, als ich in die "Ferdinand Lasalle Straße" einbog, wo sich das Jester's Door befand. Meine Vorahnung schien sich zu bewahrheiten, denn vor der Kneipe stand eine Gruppe wild gestikulierender Menschen. Während ich näher kam, sah ich immer wieder Leute dazu kommen, die meist nur kurz mit dem Kopf schüttelten, um dann einzutreten.

Ich erreichte die Menschentraube und sprach einen der Punker an, der am Rand stand und rauchte. Er begrüßte mich überraschend nüchtern und murmelte "Diese Type, also der Jester, der is seit 5 Tagen nich' aufgetaucht. Naja, alle ziemlich nervös deshalb." Der Jester? Verschwunden? Was wäre diese Kneipe ohne ihn? Sofort wurde mir klar, warum alle so nervös waren. Nicht nur die allabendlichen Rituale standen in Frage, die Existenz der Kneipe stand auf dem Spiel - kamen doch viele der Stammgäste nur, um den Jester singend auf dem Tresen zu bewundern!

Ich trat ein und musste mir erstmal die Augen reiben: Der Hauptraum der Kneipe sah aus wie das Lagezentrum einer polizeilichen Sondereinheit. Die Bühne war von einer überdimensionalen Karte des Stadtgebiets verdeckt, auf der in wilden Mustern farbige Stecknadeln leuchteten. Auf dem großen Tisch standen mehrere Thermoskannen und Unmengen an Kaffeebechern, benutzte wie unbenutzte, an den kleineren Tischen saßen wild auf die Tastaturen ihrer Laptops einhämmernde Menschen und im Raum verteilt diskutierten Gruppen von Stammgästen aufgeregt miteinander. Nur die beiden älteren Schachspieler saßen wie immer unbeweglich und scheinbar hochkonzentriert vor ihrem Brett und ließen ihre Bärte wachsen.

Schließlich erblickte ich Jens, der niedergeschlagen am Tresen saß und mit dem Timemaster sprach. Ich nickte ihm zu, schnappte mir einen Kaffee und ging zu ihnen rüber. "Hab' schon gehört, der Jester ist verschwunden? Aber wozu is denn das ganze Zeuch da?" Jens schüttelte mit dem Kopf: "Dat weiß ich auch nich so genau. Paul, einer von den Punks, is mal bei der Polizei gewesen. Der meint, dat macht man so." Der Timemaster ergänzte: "So richtig weiß ich auch nicht, wie wir den Kerl finden sollen. Der ist immerhin seit 5 Tagen und ..." - der Timemaster sah auf seine Armbanduhr, drehte sich um und stellte die kaputte Wanduhr hinter ihm auf die aktuell korrekte Zeit ein - "11 Stunden nicht mehr hier gewesen. Aber der kann ja überall sein." Ich fand heraus, dass die augenblickliche Arbeitshypothese darin bestand, dass der Jester nicht ohne Bier auskommen würde und daher jetzt alle Kneipen abgesucht würden. So kam etwa alle 5 Minuten ein weiterer Späher zurück, schüttelte den Kopf, nahm sich einen Kaffee und erhielt neue Instruktionen. Leider war schon eine Reihe von Kneipen doppelt und dreifach abgesucht worden, da niemand so genau wußte, welche Nadelfarbe nun für eine bereits besuchte Kneipe stand und welche noch auszuspähende Etablissements symbolisierten. So gingen die meisten am liebsten in die umliegenden Bars, und besuchten sie ein zweites und drittes Mal.

Als ich gerade einer Punkerin über die Schulter blickte, die den Jester per Laptop, Google und Verschwörungstheorien aufzuspüren versuchte, gab es vor dem Jester's ein großes Gemurmel. Einer der Kneipenspäher kam hereingelaufen - also eher keuchend hereingeschlurft - und winselte was von "gefunden". Nachdem er endlich Luft geholt hatte, berichtete er, dass er den Jester endlich gesehen und gesprochen habe. Er sei seit Tagen in einer der Schickeria-Cocktailbars im Stadtzentrum zu finden. Dies führte zu allgemeinem Stirnrunzeln. Hatte er sich jetzt doch verkauft? Doch schnell wurde klar, dass der Jester vor allem wegen der günstigen Bierpreise die Kneipe gewechselt hatte: Offenbar wurde Gerstensaft dort besonders günstig angeboten, um die Leute zum Betreten ihrer exquisiten Cocktailbar zu verführen.

Nun waren die Bierpreise im Jester's Door wirklich nicht hoch, aber gegen Dumpingangebote konnte ein sozialistisch geführter Laden nun nicht ankommen. Das wollten der Timemaster und Jens auch nicht, denn sie wollten durch ihr Geschäftsgebaren keine Arbeiterausbeutung befördern - gleich ob bei Kaffeebauern in der dritten Welt oder in deutschen bzw. internationalen Brauereien. Dennoch wurde schnell klar, dass man den Jester wieder zurückholen musste, ihn vor seinem Verderben und dieser teuflischen "Bar" bewahren musste. Ein kleinerer Kreis um die beiden Kneipiers herum setzte sich an den Kaffeetisch und beriet das weitere Vorgehen. Um 2 Uhr nachts war ein Schlachtplan fertig, abstrus, sozialistisch, so wirr, er musste einfach klappen...

Fortsetzung folgt.
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