3
Feb
2011

Gefeiert. Geliebt. Betrogen.

Eine neue Kurzgeschichte, inspiriert von Heinz Rudolf Kunzes "Akrobat". Viel Spaß!
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Die Bühne. Wieder stand er dort oben, allein, hunderte Augenpaare waren auf ihn gerichtet. Diese Momente, in denen einem niemand helfen konnte, in denen er entweder über sich hinauswuchs oder versagte. Er wußte genau, dass es genug in der Masse gab, die auf seinen Fehler hofften, obwohl sie ihn anschließend stets lächelnd beglückwünschten. Jetzt lauerten sie. Dort unten, wo er sie nicht sehen konnte. Das Scheinwerferlicht blendete ihn, er schwitzte, aber langsam kam die Aufführung in Gang. Meistens ging es dann wie von selbst, auch wenn er vor den Auftritten nie recht wußte, woher er die Kraft nehmen sollte. Nie fühlte er sich so einsam wie in diesen Augenblicken auf der Bühne. Ja, wenn er mittendrin war in der Darbietung konnte es großartig sein, er verausgabte sich, seine Gefühle stiegen auf, Adrenalin und Kreativität pulsierten in seinen Adern. Er berauschte sich an seinem Auftritt.

Szenenapplaus, den er nur am Rande wahrnahm. Konzentration. Kurzes Zögern, nur Sekundenbruchteile in seinem Hirn. Kurze Panikattacken, bis der Faden wieder da war. Dann wieder die gelungenen Sequenzen, wenn er selbst eins war mit der Welt. So verging jeder Abend wie im Flug und laugte ihn doch so aus, dass das reine Stehen zu einer unmenschliche Anstrengung wurde. Wenn einmal der Vorhang fiel, fühlte er sich völlig leer, würde am liebsten auf den Boden sinken. Erschöpft schleppte er sich in die Garderobe. Die Ruhe war seine Rettung, die Oase in der Wüste der Begehrlichkeiten. Nur endlich vor dem Spiegel sitzen, die Maske abnehmen können. Nicht die Show zehrte ihn aus, sondern die Erwartungen, die Beteuerungen, die Verachtung von Kritikern und falschen Freunden.

So stand er vor dem Spiegel, schaute in sein müdes, ausgezehrtes Gesicht. Wieder hatte er mehr gegeben als er körperlich zu leisten vermochte. "Die Show geht viel weiter, als der Kunde begreift". Wahre Worte, die ihn begleiteten, sein ganzes Leben lang. Die Konzentration, die Anstrengung, das Rampenlicht. Am Ende seines Auftritts war es imer das Gleiche: Nur der Beifall gab ihm genügend Kraft, nicht direkt auf der Bühne zusammenzubrechen. Diese totale Leere, hier, in der kleinen Garderobe. Am liebsten würde er sich in solchen Momenten hinlegen und eine Woche nicht mehr aufstehen. Doch da waren die Leute, draußen, warteten auf ihn. Das Publikum, das den Star sehen wollte. Ja, er lebte von ihnen. Aber warum fraßen sie ihn auf? Wollten ihn mit Haut und Haaren verschlingen. "Ein müder Vampir...", ja das war er, und die Blitzlichter der Fotoapparate würde ihn gleich zu Asche zerfallen lassen. Er stand auf, setzte ein Lächeln auf, öffnete die Tür. Der nächste Auftritt, jetzt keine Kunst, nur noch künstlich.
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