28
Jan
2011

Fernsehtrash

Eine uralte Glosse, geschrieben lange vor dem Dschungelcamp und anderen merkwürdigen Erscheinungen der heutigen Medienwelt - aber der Trend war damals schon deutlich. Also, viel Spaß beim Lesen und das Schmunzeln nicht vergessen! Bierernst wird es erst wieder bei der nächsten Ausgabe des Jester's...

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„Das einzig Gute an den 90ern ist, das sie bald vorbei sind. Genauso wie das gesamte beschissene 2.Jahrtausend.“ Dies waren die Worte meines Freundes, der sich gerade wieder durch das Fernsehprogramm gezappt hatte und nun feststellen mußte, daß sein Kulturpessimismus auf grauenhafte Art und Weise bestätigt wurde. Gewöhnlicherweise pflege ich nicht, mich solchen apokalyptischen Endzeitanalysen anzuschließen - doch die Flut des kulturellen Mülls, der dort zwischen den Werbeblöcken hindurch aus der Flimmerkiste schwappte, bereitete mir Folterqualen und machte die Zurückweisung der Thesen meines Kumpels unmöglich.

Nachdem wir dann zwei Stunden später - vom Wein etwas aus dem Gleichgewicht gebracht - Dialoge aus „Star Wars“ rezitierten, war es schon wieder vorbei mit der kulturellen Herrlichkeit unserer Unterhaltung; und dabei hatten wir heute mit Schiller begonnen, waren dann über Oscar Wilde bei den englischsprachigen Modernisten gelandet, verweilten ein wenig bei T.S. Elliot, gingen dann über zu einer kurzen Diskussion der Bedeutung der Philosophie des 20.Jahrhundert im Hinblick auf die Wahrnehmung der ökologischen Katastrophe und spielten schließlich ein wenig Blechtrommel mit den Ansichten eines Clowns! Aber nein, nun diskutierten wir über die Heilsbotschaft eines Luke Skywalkers und eines Obi-Wan-Kenobis. Und dann klingelte das Telefon. Ich schleppte mich zum Apparat und nahm ab:

„Festmann.“
„Eye, Du verkackter Intellektueller, wenn Du noch einmal aus Star Wars zitierst, dann werd’ ich Dir so die Fresse polieren, daß Du denkst, Du hättest die Macht wirklich mal zu spüren bekommen, klar man?“
Ich antwortete der merkwürdig abgewetzten Stimme am anderen Ende der Leitung:„Klar, find’ ich voll gut, aber wo hast Du das Mikro in meiner Wohnung versteckt?“
„Tja, man, das Mikro ist doch in jedem Fernseher standardmäßig eingebaut. Und wir von der Behörde für die Reinhaltung von Kulturmüll vor dem Einfluß intellektueller Kräfte haben darauf direkten Zugriff. Also man, merk’ Dir für die Zukunft eines, Du Pseudointelligenzbestie: Entweder Schiller oder Trash - beides gibt es nicht, klar?!“
Ich antwortete blitzschnell: „Ok, dann nehme ich doch lieber Trash.“
„Also gut. Aber wehe ich höre Dich noch mal so pseudointellektuell daherquatschen, dann gibt es richtig ärger, wir können schlimmer sein als die GEZ, kapiert? Und noch eins: Immer dran denken: Wir hören alles, HAHA.“

Mit einem ekelhaften Lachen hatte der Bedienstete dieser ominösen Behörde das Gespräch beendet. Ich ging zu meinem Freund zurück und erzählte ihm von diesem äußerst sonderbaren Gespräch. Nun hatte ich ja mit einem spontanen Gefühlsausbruch meines Freundes gerechnet, mit Anspielungen auf Orwell und das magische Jahr 1984, auf eine schöne und vor allem neue Welt der gezielten intellektuellen Vermüllung der Bevölkerung, mit großen Ansprachen an die Widerstandsregungen der Gesellschaft gegen diese dreiste staatliche Bevormundung, mit Monologen, die den Grundrechtskatalog des Grundgesetzes rauf und runter zitieren würden - doch nichts von alledem. Mein Kumpel sagte nur: „Na gut, Du Idiot, wegen Dir können wir also nur noch über Trash reden - nie wieder Schiller. Was ist Dir da eigentlich eingefallen?“
„Nun“, antwortete ich, „ich hasse nichts mehr als immer dasselbe lesen oder sehen zu müssen. Vernünftige Kultur wird leider nicht mehr produziert, dafür aber umso mehr Trash. Und nebenbei laß’ Dir eins gesagt sein: ‘Wer ist der größere Tor? Der Tor, oder der Tor der ihm folgt?’ “
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