1
Jan
2011

Jester's Door: Der göttliche Kater

Es war der Neujahrsabend. Ich hatte Silvester natürlich wieder zu viel getrunken, und auch zwei Kopfschmerztabletten am Morgen halfen nicht. Am frühen Abend kämpfte ich mich schließlich aus dem Bett, zwängte mich in meine Klamotten und suchte Ablenkung von meinem hämmernden Schädel. Also schleppte ich mich mühsam zum Jester's Door. Dort eingetroffen, sah ich sofort, dass die meisten der anwesenden Gäste ebenfalls unter den Nachwirkungen der Silvesternacht litten. Ich schlich zur Theke und bestellte ein großes Bier. Jens und der Timemaster standen mit dunklen Augenringen am Ausschank. Der Jester war noch nicht aufgetaucht, die Punks hingen vermutlich über der Toilette - lediglich die beiden Schachspieler saßen wie immer unbeweglich vor ihrem Brett, während ihre Getränke schal wurden.

Auf der Bühne schraubten die Mitglieder der BAND an ihrem Set herum, wankten aber erheblich hin und her und sahen insgesamt noch fürchterlicher aus als sonst. Unter dem üblichen Plakat, das 'The Worker's Voice' - so hieß die BAND - ankündigte, war ein neues, zittrig beschriebenes Banner angebracht. Mit etwas Mühe konnte ich es entziffern: "Oh god of hangovers, where are you?" Hmm, entfernt hatte ich eine Idee, was gemeint sein konnte. "Na, hast wohl auch den falschen Göttern geopfert. Du siehst ja furchtbar aus." Der Jester stand hinter mir und lachte. Mit einiger Anstrengung drehte ich den Kopf und schaute ihn an. "Jaja," schrie er grinsend, "ich habe den ganzen Abend auf den 'Oh god of hangovers' getrunken, und mir geht es super." Bei den letzten Worten änderte sich seine Gesichtsfarbe und er rannte mit vorgehaltener Hand auf die Toilette. Alle anderen lachten lauthals, hörten aber schnell damit auf, da es einfach zu sehr in den Köpfen dröhnte.

Unterdessen war Jens zu mir rübergekommen und zeigte auf einen der größeren Tische neben den beiden Schachspielern. "Wir haben gleich 'ne Scheibenwelt-Runde, dat hilft garantiert gegen den Kater!". Der Timemaster kam auch gleich dazu: "Jo, wir lesen Pratchett und trinken auf den 'Oh god of hangovers'. Dat hat noch immer geholfen." Ich begleitete den Timemaster zum Tisch, während Jens weiter die Bar schmiss. Wir setzten uns und der Timemaster begann, aus einem Scheibenweltroman vorzulesen, und nach jedem Toast, dem wir dem 'Oh god of hangovers' widmeten, übernahm ein anderer das Lesen. Das konnte allerdings ziemlich schnell gehen, denn wir hatten uns ziemlich viele Trinkgründe einfallen lassen: Die Erwähnung der Unseen University, das Auftreten des TODs, etc.

Neben den üblichen Verdächtigen - der Jester war vom Klo zurückgekehrt und bei solchen Trinkspielen natürlich ganz in seinem Element - waren auch drei junge Frauen am Tisch, die ziemlich übernächtigt aussahen. Neben mir saß Astrid, eine Blonde Anglistikstudentin mit kurzen Haaren, Nasenpiercing, ganz alternativ gekleidet trug sie ein Blümchenhemd unter der aufgeschlissenen Jacke. Nach einer Weile löste Jens den Timemaster ab, und es wurden neue Trinkregeln aufgestellt. Ich kam ein wenig mit Astrid ins Gespräch, und sie war mir nicht unsympathisch. Allerdings war ich nicht mehr wirklich nüchtern und fürchtete ob meiner zunehmenden Artikulationsschwierigkeiten einen eher unvorteilhaften Eindruck zu hinterlassen. Aber sie schien das nicht zu stören, war sie doch mindestens genauso angetütert wie ich. Wenigstens hatte der Alkohol die Kopfschmerzen für den Rest des Abends beiseite gespült, so dass ich mich wieder halbwegs normal bewegen konnte.

Nachdem das erste Kapitel durch war, beendeten wir die Aktion, da die meisten mittlerweile Schwierigkeiten hatten, mehr als drei Wörter flüssig auszusprechen. Wir waren uns einig, dass die ganze Aktion ein voller Erfolg war, denn niemand litt mehr an den folgen des Silvesterkaters. Ich setzte mich mit Astrid an einen der anderen Tische und begann eine intensive Diskussion über 'Warten auf Godot', wenn ich mich richtig erinnere. Während Jens und der Timemaster immer wieder verschmitzt grinsend neue Getränke lieferten, garniert mit Fragen wie: "Und? Godot schon da gewesen?" oder "na, ihr wartet aber lange". Ich war mittlerweile wieder so voll, dass ich einige dieser Kommentare gar nicht verstand und auf Kaffee umstieg. Es sollte eine lange Nacht werden...
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